Weg der Erkenntnis

Einst zog ich durch das Weltenreich,
suchte der Menschen Wesenheit
und kam zu einem Herrenhaus,
aus Marmor, Gold und Prunk gebaut.
Klopfte an und wollte wissen,
wer in diesem Hause wohnt.
Ein alter Mann bat mich hinein,
führte mich durch viele Gänge.

Traue nie und nimmer
den Sinnen – sie sind trügerisch,
sie gaukeln, und sie blenden immer,
führen dich nur hinter’s Licht.
Lass Worte einfach nur verhallen,
denn oft fehlt der Wesenskern.
Nur dein Herz kann Wahrheit finden,
wenn Erkenntnis allzu fern.

Das Haus kam einem Schlosse gleich,
mit reichlich Zier und Bildern.
Von seinem Herren sprach der Alte:
Er sei ein Manne voller Güte,
und jedes Kind im Lande kenne
sein unbeschreiblich gutes Herz.
Alsbald erreichten wir die Türe
vor dem Gemach des edlen Herrn.

Traue nie und nimmer
den Sinnen – sie sind trügerisch,
sie gaukeln, und sie blenden immer,
führen dich nur hinter’s Licht.
Lass Worte einfach nur verhallen,
denn oft fehlt der Wesenskern.
Nur dein Herz kann Wahrheit finden,
wenn Erkenntnis allzu fern.

Die Tür schwang auf – und ich erschrak,
denn was ich hinter jener sah,
war einfach bös’ und sonderbar:
ein Monster voller Grausamkeit
fleischte dort mit einem Messer;
tausend Leichen, tot und schlaff,
hingen von den Wänden nieder,
blutgeronnen, kalt und rot.

Traue nie und nimmer
den Sinnen – sie sind trügerisch,
sie gaukeln, und sie blenden immer,
führen dich nur hinter’s Licht.
Lass Worte einfach nur verhallen,
denn oft fehlt der Wesenskern.
Nur dein Herz kann Wahrheit finden,
wenn Erkenntnis allzu fern.

Schreiend lief ich fort – hinaus,
wollt’ nicht sein nächstes Opfer sein.
Konnte mich mit Glücke retten,
lief weiter durch das Weltenreich.
Nach jahrelanger, harter Reise
war mein Schuhwerk abgenutzt,
und meine alten Glieder schmerzten –
noch immer meine Suche währte.

Traue nie und nimmer
den Sinnen – sie sind trügerisch,
sie gaukeln, und sie blenden immer,
führen dich nur hinter’s Licht.
Lass Worte einfach nur verhallen,
denn oft fehlt der Wesenskern.
Nur dein Herz kann Wahrheit finden,
wenn Erkenntnis allzu fern.

Hungrig und dem Ende nahe
sank ich vor einer Hütte nieder.
Die Leute sagten unterwegs:
Eine Hexe hause hier,
die Kinder stiehlt und diese fresse –
wenigstens ein schneller Tod …
So lag ich da wohl viele Stunden,
bis mein Bewusstsein wiederkam.

Traue nie und nimmer
den Sinnen – sie sind trügerisch,
sie gaukeln, und sie blenden immer,
führen dich nur hinter’s Licht.
Lass Worte einfach nur verhallen,
denn oft fehlt der Wesenskern.
Nur dein Herz kann Wahrheit finden,
wenn Erkenntnis allzu fern.

Und über meinem Körper wachte
eine hübsche junge Frau,
die noch nie ein Kind verspeiste
Sie hat mich gesund gepflegt.
So blieb ich, und ich leb’ noch immer
im kleinen schäbigen Verschlag.
Weiß nun, was zuvor ich suchte –
die Reise hat mich viel gelehrt!

Drum traue ich heut nie und nimmer
dem Blick – denn er ist trügerisch.
Was glänzt, kann blenden, locken, lügen,
führt uns oft nur in das Nichts.
Ich ließ die Worte längst verhallen,
vertraue keinem fremden Schwur.
Mein Herz hat Stille nun gefunden –
es zeigt den Weg, so klar, so fern.

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