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Epoche des Barock

Die Epoche des Barock (1600–1770) war geprägt von tiefgreifenden Umbrüchen und Widersprüchen. Besonders der Dreißigjährige Krieg (1618–1648) hinterließ seine Spuren – eine Zeit des Elends, der Unsicherheit und der Angst. Die europäische Bevölkerung wurde um etwa ein Drittel dezimiert, und die Menschen lebten in ständiger Furcht vor Tod und Zerstörung. Gleichzeitig wuchs in ihnen eine unbändige Lebensgier, ein Drang, das Dasein trotz aller Vergänglichkeit auszukosten.

Das Motiv der Vergänglichkeit

Ein zentrales Thema dieser Epoche war die Vergänglichkeit des irdischen Lebens, ausgedrückt im Begriff „vanitas mundi“. Der lateinische Ausdruck setzt sich aus vanitas (Eitelkeit) und mundi (Welt) zusammen und symbolisiert die Nichtigkeit allen weltlichen Seins. Das Leben wurde als bloße Durchgangsstation angesehen, eine vergängliche Etappe auf dem Weg zum ewigen Tod.

Doch gerade dieses Bewusstsein der Endlichkeit führte zu einem paradoxen Lebensgefühl: Einerseits die stetige Mahnung an die Vergänglichkeit, andererseits der Versuch, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Dieses Spannungsfeld spiegelt sich in den weiteren Leitmotiven der Zeit wider: „memento mori“ (Gedenke des Todes) und „carpe diem“ (Nutze den Tag). Die Menschen schwankten zwischen asketischer Demut und verschwenderischem Lebensgenuss – ein Widerspruch, der die Epoche in vielerlei Hinsicht prägte.

Kirche, Kunst und Architektur

Die Katholische Kirche versuchte, ihre Macht durch die Gegenreformation zu festigen. Dies äußerte sich insbesondere in der Kunst und Architektur: Prunkvolle Kirchenbauten mit beeindruckenden Deckenmalereien, Marmorsäulen und leuchtenden Fenstermosaiken sollten die Gläubigen in Ehrfurcht versetzen und zur Rückkehr in den Schoß der Kirche bewegen.

Doch nicht nur sakrale Bauten wurden in diesem prächtigen Stil errichtet – auch der Adel und die Herrscherhäuser übernahmen diese Elemente für ihre Schlösser und Paläste, um ihre uneingeschränkte Macht zu demonstrieren. So wurde der barocke Baustil zum Sinnbild der Epoche: prachtvoll, opulent und doch stets durchdrungen vom Schatten der Vergänglichkeit.

Barocke Literatur und das Sonett

Auch die Literatur der Zeit spiegelte diesen Dualismus wider. Der Einfluss der Antike war allgegenwärtig – allerdings in einem widersprüchlichen Verhältnis: Während man den heidnischen Charakter der Antike ablehnte, strebte man dennoch danach, den Stil und die Form der antiken Dichter zu imitieren.

Die meisten Werke entstanden als Auftragsdichtungen für Kirche, Adel oder wohlhabende Bürger. Originalität war weniger gefragt als die Einhaltung strenger formaler Regeln. Besonders beliebt war das Sonett, eine Gedichtform mit vierzehn Verszeilen, bestehend aus zwei Quartetten (vierzeilige Strophen) und zwei Terzetten (dreizeilige Strophen). Typisch war der umfassende Reim (abba) in den Quartetten, während die Terzette oft nach dem Schema ccd gereimt wurden.

Vorherrschend war der jambische Rhythmus, und viele Sonette wurden im Alexandriner verfasst – einem sechshebigen Vers mit einer Zäsur in der Mitte, die eine leichte Pause beim Lesen markiert. Besonders in der hohen Liebeslyrik fand diese Form ihre Anwendung.

Symbolsprache und das Vanitas-Motiv

Die barocke Liebesdichtung bediente sich einer ausgeprägten Symbolsprache. Nicht allein das gesprochene Wort zählte, sondern vielmehr die verborgene Bedeutung hinter bestimmten Bildern. Ein Diamant symbolisierte die Ewigkeit, während ein roter Korall für die Lippen einer Frau stand.

Doch selbst in den schönsten Liebesgedichten blieb der Gedanke an die Vergänglichkeit allgegenwärtig. Immer wieder wurde das Vanitas-Motiv betont, das den Menschen ins Gedächtnis rief, dass Schönheit, Liebe und Leben nur von kurzer Dauer sind. Ein berühmtes Beispiel dafür ist das Gedicht „Vergänglichkeit der Schönheit“ von Christian Hofmann von Hofmannswaldau (1616–1679), das diesen Gedanken eindrucksvoll aufgreift:

Vergänglichkeit der Schönheit

Es wird der bleiche Todt mit seiner kalten Hand
Dir endlich mit der Zeit um deine Brueste streichen /
Der liebliche Corall der Lippen wird verbleichen;
Der Schultern warmer Schnee wird werden kalter Sand

Der Augen suesser Blitz / die Kraeffte deiner Hand /
Fuer welchen solches faellt / die werden zeitlich weichen /
Das Haar / das itzund kan des Goldes Glantz erreichen /
Tilgt endlich Tag und Jahr als ein gemeines Band.

Der wohlgesetzte Fuß / die lieblichen Gebaerden /
Die werden theils zu Staub / theils nichts und nichtig werden /
Denn opfert keiner mehr der Gottheit deiner Pracht.

Diß und noch mehr als diß muß endlich untergehen /
Dein Hertze kan allein zu aller Zeit bestehen /
Dieweil es die Natur aus Diamant gemacht.

Liebesdichtung und Gesellschaftsschichten

Auch die gesellschaftlichen Stände spielten eine bedeutende Rolle in der barocken Liebesdichtung. Sie gliederte sich in drei Gattungen:

  • Hohe Liebeslyrik: Das lyrische Ich verherrlicht die Schönheit der Geliebten, betont jedoch zugleich ihre Unerreichbarkeit.
  • Mittlere Liebeslyrik: Hier steht die sinnliche, körperliche Liebe im Mittelpunkt.
  • Niedere Liebeslyrik: Diese Form bedient sich einer sehr direkten, oft derben und sexuell expliziten Sprache, die bis hin zu perversen Schilderungen reicht.

Diese strikte Einteilung spiegelt die starre gesellschaftliche Ordnung der Zeit wider und zeigt, dass selbst die Liebe einem festgelegten Regelwerk unterworfen war.

Vanitas in der Kunst des Barock

Der Vanitas-Gedanke ist aus der Kunst des Barock kaum wegzudenken. Besonders die Malerei bediente sich zahlreicher Symbole, um die Vergänglichkeit des Lebens zu veranschaulichen. Dunkle Farbtöne dominierten die Bilder und unterstrichen die Allgegenwärtigkeit des Todes.

Zu den häufigsten Vanitas-Motiven zählten:

  • Totenköpfe – als Symbol für die Vergänglichkeit des Menschen
  • Ungeziefer und faulende Nahrungsmittel – Sinnbilder des Zerfalls
  • Erlöschende Kerzen – ein Hinweis auf das nahende Ende des Lebens

Oft wurden diese düsteren Elemente bewusst mit lebensfrohen Motiven kombiniert. Junge, lebenshungrige Frauen, die einen Totenschädel umklammerten, verdeutlichten das ewige Spannungsverhältnis zwischen Leben und Tod – ein Paradoxon, das die barocke Kunst und Dichtung gleichermaßen durchdrang.

Das magische Dreieck der Barock-Motive

Für mich bilden die drei Leitmotive „vanitas mundi“, „memento mori“ und „carpe diem“ eine untrennbare Einheit – ein magisches Dreieck, in dem jedes Motiv das andere bedingt:

  • Deine Zeit ist endlichVanitas-Motiv
  • Nutze den TagCarpe diem
  • Bedenke deinen TodMemento mori

Obwohl sie auf den ersten Blick gegensätzlich erscheinen, sind sie tief miteinander verflochten. Gerade diese Widersprüchlichkeit macht ihren Reiz aus: Sie mahnen, feiern und warnen zugleich – ein ewiges Spiel zwischen Vergänglichkeit und Lebenslust.

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